Jüdische Erziehung im Auftrag des Kaisers - Schul- und Stiftungswesen in der Frankfurter Judengasse als Verhandlungssache am Wiener Reichshofrat
Immer wieder gelangten an den Wiener Reichshofrat in der Frühen Neuzeit nicht nur Konflikte zwischen Juden und Christen, sondern auch Konflikte innerhalb jüdischer Gemeinden, die lokal nicht umfassend lösbar und daher vor den Kaiser gebracht wurden. Im ausgehenden 18. Jahrhundert betraf dies unter anderem den Bereich des Erziehungswesens, der als zentrales Vehikel der Haskalah besonderes Konfliktpotential bot. Der Vortrag stellt exemplarisch zwei Fälle des späten 18. Jahrhunderts aus der bedeutenden Frankfurter jüdischen Gemeinde vor, die die prekäre Lage des Schul- und Stiftungswesen in der Judengasse zwischen innergemeindlicher Opposition und obrigkeitlichem Zugriffsbestreben thematisieren. Sie erlauben damit zugleich einen Einblick in die Rolle der kaiserlichen Institutionen im jüdischen Bildungssektor, der sich zunehmend auch auf institutioneller Ebene grundsätzlichen Veränderungsbestrebungen gegenüber sah.
Dr. Verena Kasper-Marienberg promovierte 2009 an der Karl Franzens Universität mit einer Studie über die Frankfurter Jüdische Gemeinde am Reichshofrat unter Joseph II. (1765-90) und war dort 2005-2009 zudem wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschichte. 2009/2010 Post doc fellow der Yad Hanadiv/Rothschild Foundation und Visiting Scholar der Hebrew University in Jerusalem. Seit 2010 Universitätsassistentin an der Karl Franzens Universität Graz, Institut für Geschichte, Abteilung Allg. Geschichte der Neuzeit
Arbeitsschwerpunkte: jüdische Rechts- und Sozialgeschichte im Alten Reich im 18. Jahrhundert, Verfassungsgeschichte des Alten Reiches sowie Antisemitismusgeschichte des beginnenden 20. Jahrhunderts
Publikationen: Aufsätze zur rhetorischen Textgenese der Protokolle der Weisen von Zion sowie zum Auftreten der Frankfurter Judenschaft am RHR am Ende des 18. Jahrhunderts in Hinblick auf sozial-, rechts-, alltags- und gendergeschichtliche Aspekte; Monographie in Kürze: „vor Euer Kayserlichen Mayestät Justiz-Thron“. Die Frankfurter jüdische Gemeinde und der Reichshofrat in josephinischer Zeit (1765-1790), erscheint voraussichtlich 2012 in der Schriftenreihe des Centrums für Jüdische Studien Graz des Studienverlags