Vom Ort zum Symbol? Ghetto in der europäisch-jüdischen Geschichte der Neuzeit.


Der Vortrag leistet einen Beitrag zur Diskussion um das Phänomen „Ghetto“ in der jüdischen Geschichte. Stellten die frühneuzeitlichen Ghetti in italienischen Städten einen besonderen Typus jüdischer Viertel dar? Welche Entwicklungslinien führen von dort zu dem sehr umfassenden „Ghetto“-Begriff im aktuellen Sprachgebrauch, der kaum noch eine Verbindung zur jüdischen Erfahrung hat? Gibt es einen Konnex zwischen den frühneuzeitlichen Ghetti und den von den Nationalsozialisten eingerichteten Ghettos im II. Weltkrieg? Warum spielte der „Ghetto“-Begriff ausgerechnet im 19. Jahrhundert  in den publizistischen Debatten zwischen  den Anhängern von Assimilation und Zionismus in Galizien eine wesentliche Rolle?  Der Autor argumentiert, dass nicht der Ort an sich, sondern die dem Begriff jeweils zugewiesene Symbolik die Besonderheit von „Ghetto“ als Teil der jüdischen Erfahrung der Neuzeit begründen.


Jürgen Heyde studierte 1987-1993 osteuropäische Geschichte, Slavistik und mittlere Geschichte in Gießen, Mainz, Warschau und Berlin; Promotion 1998 an der Freien Universität Berlin; 1998 bis 2003 wiss. Mitarbeiter am DHI Warschau; 2003-2009 wiss. Mitarbeiter am Institut für Geschichte der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (dort Habilitation 2009); seit 2010 Arbeit an einem DFG-Projekt:  Der „Ghetto“-Begriff in der polnisch-jüdischen Historiographie und Publizistik 1868-1918. Eine begriffs- und kommunikationsgeschichtliche Untersuchung.