Die jüdische Geschichte des Heiligen Römischen Reichs, Polen-Litauens und der Habsburgermonarchie im Vergleich
vom 9. - 10. Dezember 2007
veranstaltet vom Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, der Kommission für Rechtsgeschichte Österreichs (KRGÖ) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sowie dem Lehrstuhl für Judaistik der Universität Erfurt
im Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien und dem Jüdischen Museum Wien
in Kooperation mit der Alexander von Humboldt-Stiftung (Bonn), dem Jüdischen Museum Wien, dem Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte (Frankfurt a.M.) und dem Wissenschaftsfonds
Unter der Überschrift „Imperiales Angebot und jüdische Nachfrage“ behandelt das dritte Arbeitsgespräch des Projektclusters „Jüdisches Heiliges Römisches Reich“ (JHRR) schwerpunktmäßig die Beziehungen zwischen dem Kaiser sowie dem Reichshofrat auf der einen Seite, letzterer in seiner Doppelfunktion als eines der beiden obersten Reichsgerichte und als kaiserliche Beratungs-, Regierungs- und Verwaltungsinstitution, und auf der anderen Seite der jüdischen Bevölkerung des Römisch-Deutschen Reichs. Vorgestellt werden die laufenden Projekte zur Erschließung der archivalischen Überlieferung des Reichshofrats sowie exemplarische Fallstudien zu Schnittstellen imperialer Herrschaftspraxis und jüdischer Lebenswelt. Neben dem Schwerpunktthema greift der Workshop das Thema „Kaiser und Reich in der jüdischen Lokalgeschichte“ erneut auf und stellt zwei neue Themenkomplexe zur Diskussion: „Jüdische Geschichte als Sakralgeschichte. Austausch und Konfrontation“ sowie „Die jüdische Geschichte des Heiligen Römischen Reichs, Polen-Litauens und der Habsburgermonarchie im Vergleich“.
Das Projektcluster JHRR geht aus der mehrjährigen Kooperation zwischen dem Lehrstuhl für Judaistik/Religionswissenschaften an der Universität Erfurt, dem Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt am Main und dem Simon-Dubnow-Institut für jüdische Geschichte und Kultur an der Universität Leipzig zur Erforschung der jüdischen Geschichte des Römisch-Deutschen Reichs hervor und versteht sich als lockerer Verbund von Einzelprojekten. Der Diskussion dienen die dreimal jährlich, vornehmlich in Frankfurt und Wien veranstalteten Arbeitstreffen. Die jüdische Geschichte des Alten Reichs stellt die Forschung vor mindestens ebenso große Rätsel wie die Geschichte des Reichs selbst. Ziel des Projektclusters JHRR ist eine integrierte Neuinterpretation. Die Herausforderung liegt in der Beantwortung der Frage, ob die Geschichte der Juden im Römisch-Deutschen Reich mehr darstellt als die bloße Summe letztlich nicht miteinander verbundener Teilgeschichten. Dabei geht das Projekt-Cluster JHRR von der Annahme aus, dass die jüdischen Lebenswelten im Römisch-Deutschen Reich nur als Teil dieser politisch, sprachlich, sozial und religiös hochgradig heterogenen, imperial überwölbten Herrschafts-, Rechts- und Gesellschaftsordnung verstanden werden kann.
Bei dem Versuch, die Juden als Individuen und als Gruppe in diesem strukturell vielschichtigen Gemeinwesen zu verorten, werden jüdische Handlungsspielräume als Zwischenräume zwischen den verschiedenen Ebenen der Herrschaft und des Rechts begriffen. Der Fokus der Forschung liegt auf zwei ineinander greifenden Konstellationen: Schwerpunkt sind zum einen die Beziehungen zwischen jüdischem Binnenraum und nicht-jüdischer Umwelt, zum anderen das Spannungsverhältnis zwischen Landesherrschaft und den imperialen, durch Kaiser und Reich bestimmten Rahmenbedingungen jüdischer Existenz.
Ansatzpunkt für das Ausloten jüdischer Handlungsräume sind die Rechtsverhältnisse der Juden. Wenn danach gefragt wird, vor welchen Foren Juden welche Prozesse führten, auf welcher Rechtsgrundlage diese Foren ihre Entscheidungen fällten und welche Rechtsquellen die für Juden maßgeblichen Normen hervorbrachten, wird deutlich, dass die Parameter jüdischer Handlungsspielräume nicht unilateral durch den Kaiser, die Landesherrschaften oder das jüdische Religionsrecht bestimmt wurden, sondern sich relationell aus den zwischen diesen Ebenen der Herrschaft und des Rechts bestehenden Spannungsverhältnissen ergaben.
Programm
SONNTAG, 9. DEZEMBER 2007
Jüdisches Museum Wien
10.00 - 10.30 Uhr
Begrüßung
Dr. Felicitas Heimann-Jelinek, Jüdisches Museum Wien
Prof. Dr. DDr. h. c. Werner Ogris, Kommission für Rechtsgeschichte Österreichs der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Hofrat Prof. Dr. Leopold Auer, Haus-, Hof- und Staatsarchiv
Einführung
Andreas Gotzmann, Erfurt
10.30 - 12.00 Uhr
Sektion I: Imperiales Angebot und jüdische Nachfrage – Projektvorstellungen
Die Erschließung der Akten des kaiserlichen Reichshofrats
Eva Ortlieb, Göttingen/Wien
Die Formierung des Reichshofrats (Karl V., Ferdinand I.)
Daniela Beyer, Wien
Die Erschließung der jüdischen Betreffe des Reichshofrats
Stefan Ehrenpreis, Berlin, und Stephan Wendehorst, Wien
Die Überlieferung des fränkischen Kreises als Quelle zur jüdischen Geschichte Frankens. Möglichkeiten und Grenzen
Gerhard Rechter, Nürnberg
12.00 - 13.00 Uhr
Führung durch das Jüdische Museum Wien
13.00 – 16.00 Uhr
Sektion II: Jüdische Geschichte als Sakralgeschichte. Austausch und Konfrontation
Die Vertreibung der Kitzinger Juden 1763. Ein Konflikt um Konversion und Zwangstaufen im Hochstift Würzburg
Jesko Graf zu Dohna, Castell
Der Eintrag für Karl VI. in das Memorbuch der Wiener Gemeinde
Felicitas Jellinek, Chicago/Wien
Das christliche Gebet für den Kaiser – das jüdische Gebet für den Kaiser
Matthias Kloft, Frankfurt
16.00 - 16.30 Uhr
Kaffeepause
16.30- 18.00 Uhr
Sektion III: Die jüdische Geschichte des Heiligen Römischen Reichs, Polen-Litauens und der Habsburgermonarchie im Vergleich
Die Toleranzpatente Josephs II. für die jüdische Bevölkerung der Habsburgermonarchie – eine kritische Edition
Louise Hecht, Jerusalem/Olmütz
Roundtable-Diskussion
Vergleich der jüdischen Geschichte im Römisch-Deutschen Reich und in Polen Litauen
mit Hans-Jürgen Bömelburg (Giessen), Jürgen Heyde (Halle), Yvonne Kleinmann (Leipzig), Mathias Niendorf (Kiel)
18.00 Uhr
Buchvorstellung
Juden im Recht: Neue Zugänge zur Rechtsgeschichte der Juden im Alten Reich (Beihefte der Zeitschrift für Historische Forschung, 39),Berlin: Duncker & Humblot, 2007
durch Prof. Dr. Thomas Simon, Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien
MONTAG, 10. DEZEMBER 2007
Haus-Hof- und Staatsarchiv
9.00 - 10.30 Uhr
Sektion IV: Kaiser und Reich in der jüdischen Lokalgeschichte
Die Universitätsimmunitäten in der Frühen Neuzeit als jüdische Räume – das Beispiel Leipzig
Stephan Wendehorst, Wien
Jüdische Migration, ständische Asyl- und Herrschaftsrechte und das Reichsrecht
Karl Härter, Frankfurt a.M.
10.30 - 11.00 Uhr
Kaffeepause
11.00 - 13.00 Uhr
Sektion V: Imperiales Angebot und jüdische Nachfrage – der Kaiser und der Reichshofrat
Die Juden und das Silber – ein Musterprozess der Regierenden Herrn zu Löwenstein-Wertheim vor dem Reichshofrat 1766-1768
Rainer Elkar, München
Kronsteuer und Opferpfennig: Die Verhandlungen um kaiserliche Judensteuern am Reichshofrat
Barbara Staudinger, Wien
Der Reichshofratsprozeß Nürnberg gegen Brandenburg-Bayreuth um den Synagogenbau in Bruck Anfang des 18. Jahrhunderts
Stefan Ehrenpreis, Berlin