Die Jüdischen Betreffe des Reichshofrates
Die Rekonstruktion und Analyse der jüdischen Betreffe des Reichshofrats zählt zu den zentralen Anliegen des Projektclusters „Jüdisches Hl. Röm Reich. Geschichte der Juden als Geschichte von Zwischenräumen eines polyzentrischen Politik-, Rechts- und Sozialsystems – The Jewish Holy Roman Empire. History of the Jews as History „In Between“ in a Polycentric Political Legal and Social System“. Als eines der beiden obersten Gerichte des Hl. Röm. Reichs und zugleich wichtigstes Beratungs- und Exekutivorgan des Kaisers in allen das Reich betreffenden Fragen - zunehmend beschränkt auf die nicht-habsburgischen Teile des Reichs - war der Reichshofrat auch in einer Vielzahl jüdischer Angelegenheiten tätig. Die Rechtsprechung in Streitsachen mit Juden als Klägern und Beklagten, die Erteilung und Erneuerung von Priviliegien für jüdische Gemeinden von Hamburg bis Mailand, die Zensur jüdischer wie anti-jüdischer Schriften zählten genauso zu den Aufgaben der Reichshofräte wie die Mitwirkung an den Takkanot (Gemeindestatuten) der Frankfurter jüdischen Gemeinde und der Huldigung der Frankfurter Juden im Anschluss an die Kaiserkrönung . Durch Reichshofratskommissionen war der Reichshofrat mit der Ordnung jüdischer Angelegenheiten nicht nur in Frankfurt am Main, sondern bis nach Osttfriesland und Mecklenburg im Norden des Reichs beteiligt. Dies ist wenig bekannt und bislang kaum in der Forschung berücksichtigt worden, obwohl der Reichshofrat an einigen der bekanntesten Wendepunkte in der Geschichte der Juden in ihrem Verhältnis zur nicht-jüdischen Umwelt beteiligt war, so z.B,: dem Verbot von Luthers anti-jüdischer Streitschrift „Von den Jüden und ihren Lügen“, der Vertreibung und Rückführung der Frankfurter Juden nach der Niederschlagung des Fettmilchaufstandes oder der Konfiskation von Eisenmengers Buch „Entdecktes Judentum“, das als erste moderne antisemitische Schrift gilt. Stefan Ehrenpreis, Karl Härter und Stephan Wendehorst werden in ihrem Vortrag der Frage nachgehen, warum dies so ist und die Tätigkeit des Reichshofrats in jüdischen Angelegenheiten anhand ausgewählter Fallbeispiele aus den nach Vorarbeiten von Stefan Ehrenpreis und Stephan Wendehorst seit 1999 vom Max-Plack-Institut für europäische Rechtsgeschichte, Frankfurt, dem Simon-Dubnow-Institut für jüdische Geschichte und Kultur and der Universität Leipzig (bis 2004) und der Universität Wien (seit 2010) getragenen Recherchen vorstellen.
Dr. Stefan Ehrenpreis studierte Geschichte, Sozialwissenschaften und Pädagogik in Bochum und Wien. 1998 promovierte er an der Ruhr-Universität Bochum über das Thema „Der Reichshofrat unter Rudolf II. 1576-1612“ und war hernach als wissenschaftlicher Assistent am Institut für Geschichtswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin tätig.Seit 1. April 2008 vertrat er weiters den Lehrstuhl Frühe Neuzeit an der LMU München. 2012 wechselte er an das Institut für Geschichte und Europäische Ethonologie der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck.
Dr. Karl Härter studierte Geschichte, Politik, Soziologie und Rechtswissenschaft an den Universitäten Darmstadt und Frankfurt am Main. 1991 promovierte er in Geschichte an der Technischen Universität Darmstadt mit einer Arbeit über den Immerwährenden Reichstag im Zeitalter der Französischen Revolution. Seit 1993 ist Härter Lehrbeauftragter der TU Darmstadt mit Lehrveranstaltungen zur Frühen Neuzeit, wo er sich 2002 als Privatdozent für die Fächer Neuere und Neuste Geschichte an der TU Darmstadt habilitierte. 2007 wurde Härter zum außerplanmäßigen Professor der Technischen Universität Darmstadt ernannt.
Dr. Stephan Wendehorst studierte Neuere und Alte Geschichte, Volkswirtschaft und Rechtswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München. 1996 promovierte er in Neuerer Geschichte an der Universität Oxford. Zwischen 1999 und 2005 war Wendehorst leitender Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Stellvertretender Direktor des Simon-Dubnow-Instituts für jüdische Geschichte und Kultur an der Universität Leipzig. Seit 2009 ist er Feodor-Lynen Rückkehrstipendiat der Alexander von Humboldt Stiftung bzw. leitender Wissentschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Institut der Justus-Liebig-Universität Gießen. Des Weiteren ist Dr. Wendehorst kommissarischer Koordinator des Forschungsclusters „Jüdisches Hl. Römisches Reich. Geschichte der Juden als Geschichte von Zwischenräumen eines polyzentrischen Politik-, Rechts- und Sozialsystems – The Jewish Holy Roman Empire” („History of the Jews as History „In Between“ in a Polycentric Political, Legal and Social System“), schreibt eine Studie über „Die vergessene Seite der Emanzipation: Die Juden in der Religionsverfassung des Römisch-Deutschen Reichs und seiner Nachfolgestaaten“ und lehrt Geschichte der Frühen Neuzeit an der Justus-Liebig-Universität Gießen sowie Rechtsgeschichte an der Universität Wien.