Recht und Praxis der Religionsinterventionen im Europa der frühen Neuzeit. Jüdische, katholische und protestantische Fallbeispiele im Vergleich.


Die Anstrengungen, die Vertreibung der Juden aus Frankfurt im Gefolge des Fettmilchaufstandes sowie aus Prag unter Maria Theresia zu revidieren und die im 18. Jahrhundert in Polen-Litauen grassierenden Ritualmordvorwürfe zu unterbinden, werden in der historischen Forschung a) als isolierte und b) als deutlich von Etappen der modernen jüdischen Politik- und Diplomatiegeschichte wie der Damaskusaffäre oder dem Berliner Kongress gesonderte Phänomene wahrgenommen. Ziel dieses als Work-in-Progress konzipierten Vortrages ist eine Neubewertung auf der Grundlage einer zweifachen Kontextualisierung. Zum einen werden der Fettmilchaufstand, die Vertreibung der Juden aus Prag und die Ritualmordvorwüfe in Polen-Litauen in der longue durée, als Teil einer epocheübergreifenden jüdischen Politik- und Diplomatiegeschichte untersucht. Zum anderen werden Unterschiede und Gemeinsamkeiten im Vergleich zu katholischen und protestantischen Fallbeispielen der Religionsintervention in der Frühen Neuzeit herausgearbeitet.


Dr. Stephan Wendehorst studierte Neuere und Alte Geschichte, Volkswirtschaft und Rechtswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München. 1996 promovierte er in Neuerer Geschichte an der Universität Oxford. Zwischen 1999 und 2005 war Wendehorst leitender Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Stellvertretender Direktor des Simon-Dubnow-Instituts für jüdische Geschichte und Kultur an der Universität Leipzig. Seit 2009 ist er Feodor-Lynen Rückkehrstipendiat der Alexander von Humboldt Stiftung bzw. leitender Wissentschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Institut der Justus-Liebig-Universität Gießen. Des Weiteren ist Dr. Wendehorst kommissarischer Koordinator des Forschungsclusters „Jüdisches Hl. Römisches Reich. Geschichte der Juden als Geschichte von Zwischenräumen eines polyzentrischen Politik-, Rechts- und Sozialsystems – The Jewish Holy Roman Empire” („History of the Jews as History „In Between“ in a Polycentric Political, Legal and Social System“), schreibt eine Studie über „Die vergessene Seite der Emanzipation: Die Juden in der Religionsverfassung des Römisch-Deutschen Reichs und seiner Nachfolgestaaten“ und lehrt Geschichte der Frühen Neuzeit an der Justus-Liebig-Universität Gießen sowie Rechtsgeschichte an der Universität Wien.