Rückwirkungen der Verwandlung des dänischen Reichsverbandes in einen Nationalstaat auf die rechtliche Stellung der Juden
Im Oktober 1943 gelang mehr als 7000 von der Deportation in die Vernichtungslager bedrohten Juden in einer spektakulären Rettungsaktion unter aktiver Mithilfe der nicht-jüdischen dänischen Bevölkerung die Flucht von Dänemark nach Schweden. Damit gab es, anders als in den meisten anderen vom nationalsozialistischen Deutschland besetzten Ländern, keinen Grund, den Pfad der jüdischen Emanzipation in Dänemark grundsätzlich in Frage zu stellen. In der Historiographie hat dies im Zusammenspiel mit einer lange unangefochten vorherrschenden nationalen Interpretation der Geschichte Dänemarks dazu geführt, die spezifischen rechtlichen Rahmenbedingungen, die Dänemark als Reichsverband jüdischer Existenz bot, in den Hintergrund treten zu lassen. Ausgehend von den im Kontext der allgemeinen Geschichte entwickelten Deutungsmustern „Imperium“ (Michael Bregnsbo, Odense) und „Konglomeratsstaat“ (Harald Gustafsson, Lund) behandelt der Vortrag diesen Zusammenhang ausschnittsweise am Beispiel Altonas, Norwegens und Dänisch-Westindiens.
Dr. Stephan Wendehorst studierte Neuere und Alte Geschichte, Volkswirtschaft und Rechtswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München. 1996 promovierte er in Neuerer Geschichte an der Universität Oxford. Zwischen 1999 und 2005 war Wendehorst leitender Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Stellvertretender Direktor des Simon-Dubnow-Instituts für jüdische Geschichte und Kultur an der Universität Leipzig. Seit 2009 ist er Feodor-Lynen Rückkehrstipendiat der Alexander von Humboldt Stiftung bzw. leitender Wissentschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Institut der Justus-Liebig-Universität Gießen. Des Weiteren ist Dr. Wendehorst kommissarischer Koordinator des Forschungsclusters „Jüdisches Hl. Römisches Reich. Geschichte der Juden als Geschichte von Zwischenräumen eines polyzentrischen Politik-, Rechts- und Sozialsystems – The Jewish Holy Roman Empire” („History of the Jews as History „In Between“ in a Polycentric Political, Legal and Social System“), schreibt eine Studie über „Die vergessene Seite der Emanzipation: Die Juden in der Religionsverfassung des Römisch-Deutschen Reichs und seiner Nachfolgestaaten“ und lehrt Geschichte der Frühen Neuzeit an der Justus-Liebig-Universität Gießen sowie Rechtsgeschichte an der Universität Wien.