Die Toleranzpatente Josephs II. für die jüdische Bevölkerung
der Habsburger Monarchie
Der eminenten gesellschaftspolitischen Bedeutung der josephinischen Toleranzpatente als erster umfassender moderner Gesetzgebung für Juden steht eine seltsame Nachlässigkeit im Umgang mit den Quellen gegenüber. Die Patente wurden für die verschiedenen Provinzen der Habsburger Monarchie in einem Zeitraum von etwa acht Jahren erlassen – erstreckten sich also annähernd über die gesamte Zeit von Josephs Alleinregierung – und wichen auch inhaltlich stark voneinander ab. Für historische Analysen der josephinischen Judenpolitik wird jedoch meist Josephs Handschreiben vom 13. 5. 1781 herangezogen, in dem der Kaiser im Zuge von Zentralisierung und Systematisierung der Bürokratie angekündigt hatte, seiner Judenpolitik neue Richtlinien zugrunde legen zu wollen. Die allgemeinen kaiserlichen Direktiven wurden aber erst im Laufe der folgenden Jahre von den Länderstellen den konkreten Bedingungen der einzelnen Provinzen angepasst und zu Patenten ausformuliert. Der Vortrag wird diesen Diskussionsprozess nachzeichnen und anhand von Vergleichen zwischen verschiedenen Patenten eine Neubewertung des josephinischen Gesetzeswerks versuchen.
Louise Hecht ist Senior Lecturer am Centrum judaistických studií Kurta a Ursuly Schubertových, FF Univerzity Palackého, Olomouc, CR. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der Jüdischen Geschichte Mitteleuropas ab der Frühen Neuzeit, der Jüdischen Presse, der Jüdischen Frauengeschichte in Mitteleuropa sowie im Israelischen Film. Auswahlpublikationen: Ein jüdischer Aufklärer in Böhmen: Der Pädagoge und Reformer Peter Beer (1758-1838), in Lebenswelten osteuropäischer Juden, Bd. 11, Köln 2008.; "The Haskalah in Bohemia and Moravia – a gendered perspective" in The Enlightenment in Bohemia: Religion, morality and multiculturalism, Ivo Cerman, Rita Krueger, Susan Reynolds (Eds.), Voltaire Foundation, Oxford 2011, p. 253-272.; "Tabak Barone und Trafikanten: Aspekte einer jüdische Kulturgeschichte des Tabaks in Böhmen und Mähren" in brücken: Germanistisches Jahrbuch 18/1-2 (2010), p. 203-223.